Frage zum Überholen von Radfahrern auf Radfahrstreifen durch Kfz

  • Moin,

    müssen Kfz einen Mindestabstand (wie beim Überholen) einhalten, wenn sie an Radfahrern auf Radfahrstreifen vorbeifahren? Weil diese (aus welchem Grund auch immer) z. B. weiter links auf dem Radfahrstreifen fahren.

    Rechtlich gesehen handelt es sich beim Radfahstreifen nicht um einen Teil der Fahrbahn, daraus wird häufig abgeleitet, dass Kfz nicht überholen, sondern vorbeifahren.

  • [stvo]
    (1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.
    (2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.
    [/stvo]

    Ich weiß nicht was es für Urteile oder Fachmeinungen dazu gibt, aber aus meiner Sicht kann man aus §1 ableiten, dass man einen angemessen Abstand halten muss. Letztlich konkretisieren die ganzen übrigen §§ nur den §1.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Der Sicherheitsabstand leitet sich nicht aus dem Vorhandensein oder Nichtvorhandensein bestimmter Fahrbahnmarkierungen ab. Das geforderte Mindestmaß kann daher am Radfahrstreifen nicht geringer sein als ohne diesen.
    Die gelebte Realität sieht freilich anders aus.

    Twitter: @Nbg_steigt_ab

  • Moin,

    müssen Kfz einen Mindestabstand (wie beim Überholen) einhalten, wenn sie an Radfahrern auf Radfahrstreifen vorbeifahren? Weil diese (aus welchem Grund auch immer) z. B. weiter links auf dem Radfahrstreifen fahren.


    Das man über so etwas überhaupt nach denkt ist eigentlich schon traurig. Natürlich darf man niemanden in Gefahr bringen nur weil eine weiße Linie auf dem Boden ist.

    Doomsday: It's nature's revenge for what we've done (Chris Pohl)

  • Um @bettercycling in Schutz zu nehmen: Es geht wohl um die Auslegung der StVO:
    [stvo]Beim Überholen muss ein ausreichender Seitenabstand zu anderen Verkehrsteilnehmern, insbesondere zu den zu Fuß Gehenden und zu den Rad Fahrenden, eingehalten werden.[/stvo]

    Und Überholen tut man, soweit ich weiß, tatsächlich nur auf derselben Fahrbahn. Wer also auf der Fahrbahn fährt und sich an einem Radfahrer auf dem Radfahrstreifen vorbeibewegt, überholt ihn nicht, die obige Vorschrift käme also nicht zum Tragen.
    Die StVO hat hier eine Lücke, weil diese Situation nicht definiert ist.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Das geforderte Mindestmaß kann daher am Radfahrstreifen nicht geringer sein als ohne diesen.

    Gibt es dazu Urteile?

    Ich könnte mir schon vorstellen, dass ein geringerer Seitenabstand auch sachlich durchaus gerechtfertigt ist.
    Wenn ein Autofahrer einen Radfahrer auf "freier Strecke" überholt, muss er damit rechnen das der Radfahrer nicht exakt geradeaus fährt. Beispielsweise könnte er einem Gullideckel ausweichen o.ä.
    Bei einem Radfahrstreifen ist das anders. Da sollte ein Radfahrer nicht ohne Schulterblick über die weiße Linie fahren.

  • Ich könnte mir schon vorstellen, dass ein geringerer Seitenabstand auch sachlich durchaus gerechtfertigt ist.

    Die Linie glättet nicht nur die Fahrlinie des Radfahrers, sondern auch die des KFZ.

    Bei einem Überholmanöver ohne Linien müsste das überholende KFZ erst ausscheren, dann überholen und danach wieder einscheren. Mit Linie fährt es einfach geradeaus auf der bisherigen Fahrlinie.

    Beim Ausscheren muss der Überholer nicht nur darauf achten, dass er dem Radler nicht hinten rein fährt, sondern er muss auch nach hinten und vorne die Vektoren der anderen KFZ sehr viel sorgfältiger analysieren. Das bindet Aufmerksamkeit, die er dann nicht dem Radfahrer zuwenden kann.

    Viele Zusammenstöße beim Überholen passieren außerdem erst, wenn das KFZ wieder einschert. Die großzügige Vorgabe mit den anderthalb Metern dient IMO nicht so sehr der Verhinderung von seitlichen Berührungen während der Passage, sondern schützt vor allem den überholten Radfahrer vor Fehleinschätzungen des Überholers beim Ausscheren und Wiedereinordnen.

    Quintessenz: die anderthalb Meter Seitenabstand sind keine Naturkonstante. Nicht jede seitliche Annäherung unter anderthalb Meter ist gleich eine konkrete "Gefährdung".

  • Es gibt durchaus Urteile, von denen man Rückschlüsse auf die herrschende Meinung unter Juristen ziehen kann. Beispielsweise muss ein LKW einen größeren Abstand zu Fußgängern auf dem Gehweg einhalten, wenn dieser sehr schmal ist und die Fußgänger daher gezwungen sind, nahe am Fahrbahnrand zu laufen.

    Bei Radfahrenden wir es aber mit großer Wahrscheinlichkeit draus hinauslaufen, dass im Falle eines Unfalles das Verschulden des Vorbeifahrenden gering gewertet wird, da man vom Radfahrenden erwartet aus Sicherheitsgründen im Dooringbereich zu fahren.

    EDIT: Hier, besonders im zweiten eingerückten Absatz (Zitat BGH), finden sich Aussagen zum sogenannten erweiterten Überholbegriff:

    Hier das BGH-Urteil im Volltext: