Schädliche Auswirkungen des Autoverkehrs reduzieren - durch Tempolimit und Fahrradfahrer-freundliche Infrastruktur

  • Du schreibst, der Bau breiter, sichtbarer Radverkehrsanlagen sei in diesem Forum umstritten. Wo liegen denn die Konfliktlinien? In Hannover entzünden sich Diskussionen häufig an der Frage ob Hochbordradwege oder Radwege in Form von Radstreifen oder Fahrrad-Angebotsstreifen realisiert werden sollen. So oder so geht es dabei jedoch in der Regel um die Um-Verteilung der vorhandenen Verkehrsflächen. Weniger Autoverkehrsfläche mehr Verkehrsfläche für Fuß- und Radverkehr und ÖPNV. Ist man in dieser Frage in Hamburg ähnlich unterschiedlicher Meinungen, die von manchen sehr grundsätzlich gesehen werden? Denn du schreibst für breite sichtbare Radverkehrsanlagen gibt es keine ungeteilte Zustimmung. Warum eigentlich nicht?

    Bevor ich antworte (obwohl ich nicht du bin), stelle ich eine Gegenfrage, über die Du nachdenkst, bevor Du weiterliest: Welchen Nutzen sollen Radwege haben?

    Vermutlich kommt: Förderung des Radverkehrs.
    Das kann nicht nur nicht belegt werden, sondern auch durchaus angezweifelt.
    Ich glaube, dass Radwege sich negativ auf den Radverkehrsanteil auswirken, weil ...

    1) Radwege schaffen keine neuen Möglichkeiten. Ohne sie nimmt man die Fahrbahn.
    2) Objektiv stellen sie keinen Vorteil gegenüber der Fahrbahn dar. Sie sind gefährlicher, teurer, langsamer. Das (besonders das letzte) ist am Ende des Tages wichtig.
    3) Radwege verführen Radfahrer dazu, die falsche Möglichkeit zu wählen. So lernen sie erst gar nicht kennen, wie effizient Radfahren sein kann.
    4) Radwege ermöglichen Autofahrer weiterhin schnell zu fahren. Das ist zum Nachteil des Radverkehrs.
    5) Radwege verleiten Autofahrer zu Aggressionen gegeüber Radfahrern (frag Malte). Das führt zu einem Teufelskreis.

    Den Radverkehr fördert man, indem ...
    ... man Radfahrern neue Möglichkeiten bietet (geöffnete Einbahnstraßen, Sackgassen etc).
    ... man Radfahren schneller macht (gute Beläge, keine Verschwenkungen, weniger und kürzere Rotphasen, keine ständige Bremsbereitschaft).
    ... man Autofahren unattraktiver macht.

    Am Ende des Tage ist nämlich die Frage, welche Verkehrsart wähle ich, wenn ich irgendwo hin will. Wenn nicht gerade der Weg das Ziel ist, sind entscheidende Kriterien, Zeit, Bequemlichkeit, Geld, ...
    Um mehr Radverkehr zu bekommen, muss man entweder die Kriterien für den Radverkehr verbessern (und das tuen Radwege nicht, im Gegenteil) oder für andere, Autofahrer verschlechtern (und das tun Radwege nicht, im Gegenteil).

  • Das hört sich sicher für manche Ohren sehr dogmatisch an, aber ich kann da gut mit leben. Denn ich finde es besser ein großes Ziel zu formulieren, als jedes kleine Ding als großartige pragmatische Lösung zu feiern.

    Und wie schon weiter oben angedeutet, diese grundlegenden Auseinandersetzungen darüber, welche Infrastruktur dem Radverkehr besser förderlich gibt es auch in Hannover. Manchmal habe ich aber auch dabei ein bisschen die Befürchtung, dass allzu heftig geführte Grabenkämpfe zu einem Stillstand jedweder Weiterentwicklung führen.

    Was die Petition angeht und besonders diesen Satz aus der Begründung, "Bau breiter, sichtbarer Radverkehrsanlagen", schätze ich das folgendermaßen ein:
    Dass bedeutet für manche möglichst viele, möglichst breite Hochbordradwege, die möglichst deutlich getrennt vom Autoverkehr verlaufen, am liebsten noch mit einer Reihe parkender Autos als Abschirmung zur Auto-Fahrbahn. Da spielt vermutlich sehr stark das Gefühl eine Rolle, möglichst abgeschirmt vom gefährlichen und schnellen Autoverkehr fahr ich am sichersten. Die Gefahr der Abbiegeunfälle z. B. wird dabei aber völlig übersehen.

    Aber es ist nicht die Intention der Petition. Breite gut sichtbare Radverkehrsanlagen können auch Radwege in Form von Radstreifen auf der Straße sein. Und die haben auf Hauptverkehrsstraßen auch durchaus ihre Berechtigung. Selbst dann, wenn der Autoverkehr dort nur 30 fahren darf. Ich habe jedenfalls keine Lust im Autostau stecken zu bleiben. Dann will ich am Autostau mit dem Fahrrad vorbeifahren können. Und das geht nur, wenn dort ein Weg mit Radfahrerberechtigung existiert, auf denen Autos nicht fahren dürfen. Andernfalls würden dort nämlich auch noch Autos im Stau stehen, und ich hätte keine Chance vorwärtszukommen.

  • "Bau breiter, sichtbarer Radverkehrsanlagen", schätze ich das folgendermaßen ein:
    Dass bedeutet für manche möglichst viele, möglichst breite Hochbordradwege, die [...]
    Aber es ist nicht die Intention der Petition. Breite gut sichtbare Radverkehrsanlagen können auch Radwege in Form von Radstreifen auf der Straße sein.

    So. Mal angenommen, Du bist erfolgreich. Du fährst eine sagenhafte Publicity-Kampagne, Deine Petition erreicht eine sensationelle Beteiligung, das Thema muss im Stadtparlament, im Landtag und werweißnochwo behandelt werden, Deine Argumente überzeugen einen nach dem anderen Parlamentarier, bis das Ganze in Verordnungen/Satzungen/... gegossen wird. Was glaubst Du, was Du am Ende bekommst?
    a) viele breite Hochbordradwege, gut versteckt hinter parkenden Autos
    b) Radstreifen neben parkenden Autos
    c) [bitte selbst einfügen]

    P.S.: bitte vermeide Vollzitate des unmittelbar vorangehenden Posts!

    Twitter: @Nbg_steigt_ab

  • Welchen Nutzen sollen Radwege haben?

    Vermutlich kommt: Förderung des Radverkehrs.
    Das kann nicht nur nicht belegt werden, sondern auch durchaus angezweifelt.
    Ich glaube, dass Radwege sich negativ auf den Radverkehrsanteil auswirken


    Schau dir Auckland in Neuseeland an. Was hat man dort für Radfahrer alles getan: Einführung der Helmpflicht. Es gibt paar wenige Straßen mit minimalen Radfahrstreifen. Und es gibt paar Strecken neben den Autobahnen. Was gibt es aber nicht? Alltagsradler.

    Ganz ganz viele Menschen haben Angst bzw. Phobie vor Autos. Mit Mischverkehr kriegt man die nicht auf's Fahrrad gelockt. Es geht einfach nicht.
    Was sich positiv auf den Radverkehr auswirkt ist gefühlte Sicherheit. Radwege bieten diese, Mischverkehr nicht.
    Natürlich bringen Radwege auch massenweise Nachteile mit sich. Aber zumindest an Hauptstraßen braucht man irgendeine Form der Radverkehrsinfrastruktur. Ich bevorzuge hier breite (!) Radfahrstreifen, ohne bauliche Separierung von der Fahrbahn, daneben breite Fußwege, damit die Fußgänger nicht auf dem Radfahrstreifen rumlatschen.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Ganz ganz viele Menschen haben Angst bzw. Phobie vor Autos. Mit Mischverkehr kriegt man die nicht auf's Fahrrad gelockt. Es geht einfach nicht.

    Und damit sind wir wieder bei dem Punkt, dass Förderung des Radverkehrs vermutlich gar nicht anders geht als über ein Zurückdrängen des motorisierten (Individual-)Verkehrs.
    Es sind einfach zu viele Autos für ein verträgliches Miteinander.

    Twitter: @Nbg_steigt_ab

  • Welchen Nutzen sollen Radwege haben?

    Vermutlich kommt: Förderung des Radverkehrs.
    Das kann nicht nur nicht belegt werden, sondern auch durchaus angezweifelt.

    Ein echter Beleg ist natürlich nur sehr schwer möglich.
    Es fällt aber auf, dass die Länder einem hohen Radverkehrsanteil praktisch alle auch anständige Radwege haben.

    Natürlich kann man aus dieser Korrelation keinen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang herleiten.
    Allerdings sollte man gute Gründe anführen können, warum es ausgerechnet in Deutschland ohne anständige Radwege klappen sollte.

  • Ich würde das ganz pragmatisch betrachten.

    Wenn auf allen für den Radverkehr relevanten Strecken nur erstmal die vorhandene Fahrradinfrastruktur binnen z.B. 10 Jahren auf einen Stand gebracht werden sollte, der nicht nur allermindestens die Vorgaben aus StVO und VwV-StVO erfüllt, sondern möglichst die ERA als Leitschnur verwendet, sind umfangreiche Umbauten erforderlich, die weder aus Platzgründen noch finanziell möglich erscheinen.
    Da waren jetzt noch keine Neubauten dabei. Die kämen noch on top.
    Und am Ende hätten wir mutmaßlich eine bessere Infrastruktur als heute, aber immer noch die grundsätzlichen strukturellen Probleme der separaten Radverkehrsführung etc.

    Den Radverkehr mehr in Richtung Fahrbahn zu befördern, ist hingegen im Wesentlichen mit ein paar kleinen Änderungen an der Straßenverkehrsordnung machbar. Ich verweise da gerne auf den sehr klugen Ansatz der Blauen Idee.
    Sollte es tatsächlich an einzelnen Stellen Schwierigkeiten durch den vermehrten Radverkehr auf der Fahrbahn geben, kann dort gezielt mit baulichen Maßnahmen oder speziellen Verkehrsregelungen (meinetwegen auch mal eine RWBP, aber eben als gut begründeter Einzelfall, so wie es in der StVO seit 20 Jahren vorgesehen ist!) eingegriffen werden. Kosten überschaubar, Regelwerk im günstigsten Falle deutlich verschlankt und klarer.

    Man müsste es eben nur wollen. ||

    Twitter: @Nbg_steigt_ab

  • Kann mir jemand sagen, wieso ich als Autofahrer meinen flauschigen Sitz im sicheren, klimatisierten Raum auf 4 Rädern aufgeben und gegen ein Fahrrad eintauschen soll, auf dem ich schwitze, es im Sommer heiß, im Winter kalt ist, es regnet oder schneit?
    Auch auf dem schönen breiten Radschnellweg weitab von Autos und mit Brücken über Kreuzungen, also maximaler Separierung, ist das Rad ganz objektiv betrachtet unbequemer als das Auto. Immer!

    Warum also soll ich aufs Rad steigen, um damit weiter als bis zum Bäcker zu torkeln?

    schneller sein?
    -> gegenwärtig mit dem Rad nur auf kurzsstrecke möglich

    Umweltbewusstsein?
    -> klar. dann muss ich aber nicht warten, bis goldene Radwege da sind. Da kann ich jetzt auch ÖPNV nutzen, wenn die Umwelt mir so viel bedeutet und einfach nur "weniger" Autofahren

    Geld sparen?
    -> warum? Auto ist geleast/finanziert/abbezahlt. Ob ich da nun ein paar km mehr fahre, macht nichts aus. Klar, Spritpreis mal hoch, mal niedrig.. aber hey, dafür sitz ich klimatisiert

    Du bekommst doch ernsthaft nur Leute aufs Rad, wenn du das Autofahren zunehmend unattraktiv gestaltest.
    Mein Traum:
    Parken im öffentlichen Raum verbieten. Nur noch Quartiersgaragen oder Tiefgaragen.
    2 Fliegen mit einer Klappe geschlagen:
    mehr Raum für fließenden Verkehr in Wohngebieten
    weniger Fahrten mit dem Auto. Wenn man nämlich 500m laufen muss zum Auto und später wieder zurück, überlegt man sich die ein oder andere Fahrt.

  • Nachdem es jetzt schon zwei gesagt haben: Meiner Ansicht nach ist "Autofahren unattraktiver machen" der falsche Ansatz.

    Ich glaube, dass Unannehmlichkeiten wie "weniger Parkplätze", "niedrigere Geschwindigkeit", "mehr Verschwenkungen", "weniger Fahrstreifen" etc alle Autofahrer gleich betreffen. Der "Nervfaktor" ist aber nicht nur proportional zur Anzahl der Hindernisse, sondern auch (und meiner Ansicht nach sogar _vor allem_) abhängig vom Zeitverlust. Und zwar Interessanterweise nicht proportional zur "unbehinderten Fahrt", sondern vor allem in Minuten.

    Wenn also Autofahrer aus der Stadt statt 10 Minuten in Zukunft 20 brauchen, weil vor der Haustür alles Tempo 30 ist und Fahrradstraßen zu Umwegenzwingen - dann sind diese Autofahrer leicht genervt, fahren aber immer noch Auto. Und beklagen sich, dass früher alles schneller ging.

    Die Autofahrer aus dem weiter entfernten Umland brauchen aber statt 1 Stunde nun 1,5 Stunden. Und sind deutlich mehr genervt, weil viele Einfallstraßen einspurig wurden und die 30 Zonen dazukommen und viel viel mehr Autofahrer betroffen sind.

    Das sind aber nun die Autofahrer die den individuellen Verkehr am meisten tatsächlich brauchen (vielleicht von stark körperbehinderten Einzelpersonen mal abgesehen). Im weiteren Umland (zumindest hier) gibt es keinen öffentlichen Nahverkehr. Und bei Entfernungen über ca. 30 bis 50km wird das Fahrradpendeln auch irgendwann "schön aber zu unpraktisch". Wo jeder da seine Grenze zieht ist sicher individuell verschieden. Klar ... Fahrrad zur Bahn und dann öffentlich geht an manchen Orten, aber das kommt doch sehr deutlich auf die Anbindung an.

    Ich vermute halt zunächst mal, dass erst mehr Umlandlangstreckenlangzeitpendler völlig durchdrehen, bevor das "unattraktive Autofahren" Städter zum Radeln bewegt. Das geht so nicht - das trifft die falschen. Diejenigen müssen zum Umsteigen bewegt werden, die die kürzesten Strecken mit dem Auto fahren. Weil die wirklich unnötig sind. Und da hilft vergrämen nix.

  • Was Hamburg brauchen würde ist eine Sperrung vom Jungfernstieg zwischen der Kreuzung Ballindamm / Bergstraße und Gänsemarkt für den MIV.
    Busse, Taxen, Lieferverkehr, Müllabfuhr, Einsatzfahrzeuge, etc. ausgenommen.


    Gab es schon ernsthafte Bemühungen, das einzurichten?

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Naja, es muss ja nun nicht jeder mit dem Auto bis in die Stadt fahren. Man kann ja auch das Auto nehmen um zum Zug, zur S-Bahn oder U-Bahn zu fahren und dann mit diesem/dieser weiter. Ein Jobticket soll es im HVV ja auch geben. :) Klar, nicht alle Strecken lassen sich damit gut abdecken, aber ich habe den Eindruck, dass viele das nicht einmal in Betracht ziehen und das Auto als alternativlos darstellen.

    Erinnert mich an eine Reportage aus der NDR-Reihe "45min". Eine Dame pendelte aus der Nähe von Hannover nach Hannover zur Arbeit. Sie nervten die Baustellen und die anderen Verkehrsteilnehmer und der damit verbundene Stau. Die Öffentlichen wurden nicht als Alternative in Betracht gezogen, sondern lapidar damit abgetan, dass das "ja noch länger" dauern würde. Gut, muss dann sagen, ist sie ja mit dem Auto noch am schnellsten da. Was regt sie sich auf? Verglichen hatte sie natürlich mit der rein hypothetischen Situation, dass es keine Baustellen und keine anderen Verkehrsteilnehmer gibt, so dass sie so gut durchkommt "wie es früher einmal der Fall war". Ein bisschen realitätsfern.

    Ich wundere mich immer morgens mit welcher Motivation die Leute zB. in der Edmund Siemers Allee in dreier Reihen im Stau stehen und genervt auf die Rücklichter des Vordermanns blicken. Alle anderen fahren an ihnen vorbei. Die S-Bahn, der Bus, die Radler und ich genüsslich zu Fuß.

  • Naja, es muss ja nun nicht jeder mit dem Auto bis in die Stadt fahren. Man kann ja auch das Auto nehmen um zum Zug, zur S-Bahn oder U-Bahn zu fahren und dann mit diesem/dieser weiter. Ein Jobticket soll es im HVV ja auch geben. Klar, nicht alle Strecken lassen sich damit gut abdecken, aber ich habe den Eindruck, dass viele das nicht einmal in Betracht ziehen und das Auto als alternativlos darstellen.

    Ich hatte es selbst schon. 20km zum Job, durch die Stadt. Mit dem Auto dauert's ca. 20-30 Minuten (viel Autobahn, außerhalb Rush Hour), das ist ganz OK. Das habe ich als alternativlos empfunden, umziehen wollte ich auch nicht.
    ÖPNV braucht über 2 Stunden pro Strecke. Fahrrad hatte ich auch keinen Bock drauf, kein ordentliches Rad und Helmpflicht.

    Aber in Hamburg mit dem Auto? Kann ich mir im Moment überhaupt nicht vorstellen.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Der Staat müsste einfach mal in Vorleistung gehen. Also: ÖPNV-Netzverdichtung, Taktverdichtung, Komforterhöhung. So dass mal auch zwischen Dimpfelhofen und Vordertupfing am Sonntagfrüh mindestens alle Stunde einen Bus hat.

    Das Henne-Ei-Problem (die Leute auf dem Land haben alle Autos, weil kein akzeptabler ÖPNV besteht; es gibt keinen dichteren ÖPNV-Takt, weil alle Autos haben und die benutzen) wird man nur so lösen können.

  • Schau dir Auckland in Neuseeland an. Was hat man dort für Radfahrer alles getan: Einführung der Helmpflicht. Es gibt paar wenige Straßen mit minimalen Radfahrstreifen. Und es gibt paar Strecken neben den Autobahnen. Was gibt es aber nicht? Alltagsradler.

    Man hat nichts, aber auch gar nichts für Radfahrer getan, wenn man sie zwingt einen Helm zu tragen. Im Gegenteil, der Helm tragende Radler wird am Ende noch für manche Autofahrer eine beliebtere Zielscheibe abgeben als der ohne Helm. Fahr doch mal im Rock, mit einem Kopftuch auf einem Rad mit tiefem Einstieg. Du wirst erstaunt sein, wie große Bögen die Autofahrer um dich herum fahren, im Vergleich dazu, dass du im Radlerdress mit Helm unterwegs bist!

  • So. Mal angenommen, Du bist erfolgreich. Du fährst eine sagenhafte Publicity-Kampagne, Deine Petition erreicht eine sensationelle Beteiligung, das Thema muss im Stadtparlament, im Landtag und werweißnochwo behandelt werden, Deine Argumente überzeugen einen nach dem anderen Parlamentarier, bis das Ganze in Verordnungen/Satzungen/... gegossen wird. Was glaubst Du, was Du am Ende bekommst?a) viele breite Hochbordradwege, gut versteckt hinter parkenden Autos
    b) Radstreifen neben parkenden Autos
    c) [bitte selbst einfügen]

    P.S.: bitte vermeide Vollzitate des unmittelbar vorangehenden Posts!

    "Stadt will weniger Autos in die City lassen
    Die Luft in Hannover ist noch immer verschmutzt, EU-Grenzwerte werden regelmäßig überschritten. Schuld sind Autoabgase, besonders von Dieselfahrzeugen. Die Stadt überlegt nun drastische Maßnahmen: Sie denkt über Straßensperrungen nach." 
    Dieses Zitat aus der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 18.10.2016 gibt in etwa den Diskussionsstand in Hannover wieder. Was ich von der Petition erhoffe ist, dass möglichst viele Unterschriften ein Zeichen dafür setzen, dass das Problem Luftreinhaltung überhaupt ernst genommen wird. Und eine Diskussion über den Ausbau von Radverkehrsanlagen überhaupt geführt wird! Es gibt in Hannover durchaus positive Beispiele dafür, dass ein Umdenken weg vom Hochbordradweg, der hinter parkenden Autos versteckt ist, stattgefunden hat. Aber auch diese Maßnahmen werden regelmäßig schlecht geredet.
    Im zurückliegenden Kommunalwahlkampf wiederum musste ich leider erleben, wie rechtspopulistische Parteien wie die AfD, rundheraus geleugnet haben, dass es überhaupt ein Problem mit der Luftreinhaltung gäbe. Und bei einem erschreckend hohen Teil der Wähler war die AfD mit dieser Kampagne auch noch erfolgreich.
    Um noch mal ein Beispiel aus Hannover zu bringen. Auch verbunden mit der Frage, ob es das in Hamburg auch gibt? Seit einigen Jahren stellt die Stadt an Straßen, an denen ein nicht benutzungspflichtiger Radweg existiert (ein sog,. Angebotsradweg) Schilder auf, die die Autofahrer darauf aufmerksam machen, dass Radverkehr auf der Straße zulässig ist!

    radverkehraufderfahrbdwp4u.jpg

    So was wird dann natürlich von den üblichen Verdächtigen (CDU,FDP) sofort schlecht geredet, "Aufforderung zur Anarchie etc"

    Mal angenommen die Petition kriegt richtig viele Stimmen, auch gerne welche aus Hamburg!
    Das ist ein Zeichen dafür, dass mehr Radverkehr gewünscht ist, und viele Menschen von der Dominanz des Autoverkehrs die Nase voll haben. Ohne dass damit eine Vorfestlegung getroffen ist, wie konkret die Verbesserungen für den Radvewrkehr auszusehen haben. Große sichtbare Radverkehrsanlagen kann eben auch beinhalten, dass die Straßenräume, die bislang ausschließlich vom PKW-Verkehr genutzt wurden, jetzt auch vom Radverkehr benutzt werden. Im Beispielfall (Foto) ist übrigens sehr gut das Problem erkennbar, dass es dem Radler nichts nutzt, im abgelichteten Fall, die Straße zu benutzen, weil diese vom PKW-Stau blockiert ist. Da ist selbst ein schmaler nichtbenutzungspflichtiger Angebotsradweg besser. Wenn dort aber weniger Autoverkehr herrscht, fahre ich da sehr gerne auf der Straße, weil's einfach sicherer ist. (Nicht zuletzt auch für die Fußgänger.)

    Die Petition
    "Stickstoffdioxidbelastung in Hannover senken! Jetzt!"
    ist übrigens nicht von mir initiiert worden. Aber ich fand die Idee so gut, dass ich sie gerne unterstütze. Mit den Initiatoren habe ich auch bereits gesprochen, um mir ein Bild zu machen über die Absichten.

  • Seit einigen Jahren stellt die Stadt an Straßen, an denen ein nicht benutzungspflichtiger Radweg existiert (ein sog,. Angebotsradweg) Schilder auf, die die Autofahrer darauf aufmerksam machen, dass Radverkehr auf der Straße zulässig ist!

    Traurig, dass es solche Schilder überhaupt geben muss, ist doch das Fahrradfahren auf der Fahrbahn der gesetzliche Regelfall und der Sonderweg "b-pflichtiger Radweg" die Ausnahme. Aber das dürfte denke ich den meisten Verkehrsteilnehmern nicht bekannt sein.

  • @Ullie

    Bevor hier Mißverständnisse auftauchen: Natürlich unterstützen fast alle Mitglieder des hiesigen Forums generelle 30km/h zulässige Höchstgeschwindigkeit innerorts. Vor allem weil das die Zahl der Verletzten im Straßenverkehr und die Schwere der Verletzungen erheblich reduziert. Das da oben ist sozusagen ein "Test" zur Vorbereitung auf die "Gegenargumente", die dann zwangsläufig kommen werden.

    Und ja, auch ich lehne den Bau breiter, sichtbarer Radverkehrsanlagen innerorts eher ab (es gibt einige wenige Ausnahmen hier und da), denn:

    Fahrräder sind Fahrzeuge. Werden diese im Verkehr geführt, gehören sie auf die Fahrbahnen. Genau dafür sind es nämlich welche, wie der Begriff es schon sagt.

    Hallo Peter,
    ich hab' mir erlaubt, den Link zum youtube-Video "A Trip Down Market Street in 1906"

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    als Argumentionshilfe für ein Argument auf der Debattenseite der Petition einzubauen. Vielen Dank für den Hinweis auf den Film.
    Ich würde mich natürlich freuen, wenn auch aus Hamburg Unterstützer-Unterschriften für die Petition
    "Stickstoffdioxidbelastung in Hannover senken! Jetzt!"
    dazu kommen!
    Deine Aufmunterung, "Natürlich unterstützen fast alle Mitglieder des hiesigen Forums generelle 30km/h zulässige Höchstgeschwindigkeit innerorts.", stimmt mich zuversichtlich.
    Freilich zählen die Unterschriften, die nicht aus Hannover kommen, nicht zum Quorum, das berechnet wird anhand der Einwohnerzahl Hannovers. Das Quorum ist eine Art Messlatte der Betreiber der openpetition-Seite.
    Aber die Unterschriften tauchen in jedem Fall in der Statistik auf und auch der Ort, woher die nichthannoverschen Unterstützer der Petition kommen. Man kann wahlweise anonym oder mit Namensnennung unterschreiben, der Ort wird in beiden Fällen angegeben und ist auch auf einer interaktiven Karte zu sehen!
    Und es freut natürlich auch die Hannoveranerinnen und Hannoveraner, die die Petition unterstützen, wenn sie sehen, dass die Petition auch andernorts positiv zur Kenntnis genommen wird!
    Es lohnt sich aber auch, einfach mal nur die Debattenseite der Petition zu besuchen, um zu sehen, wie die Petitionsforderungen diskutiert werden:
    Link zur Debattenseite:


  • Ganz ganz viele Menschen haben Angst bzw. Phobie vor Autos. Mit Mischverkehr kriegt man die nicht auf's Fahrrad gelockt. Es geht einfach nicht.

    Ein echter Beleg ist natürlich nur sehr schwer möglich.Es fällt aber auf, dass die Länder einem hohen Radverkehrsanteil praktisch alle auch anständige Radwege haben.

    Natürlich kann man aus dieser Korrelation keinen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang herleiten.
    Allerdings sollte man gute Gründe anführen können, warum es ausgerechnet in Deutschland ohne anständige Radwege klappen sollte.

    Bei einem anderen Thema habe ich mal, um zu zeigen, dass man keine Radwege für einen hohen Radverkehrsanteil und fürs Radfahren auf Hauptstraßen braucht, ein Video aus Jaipur eingestellt: Nicht nur reichlich Radfahrer, auch Chaos. Naja, nicht wirklich, nur für unsere Augen. Aber das ist ein entscheidender Punkt.

    Bei uns hat man vor etwa einem Jahrhundert damit angefangen, den Verkehr durchzuorganisieren und Radwege zu bauen. Radfahrer wurden auf Radwege verdrängt, damit Kraftfahrer zuverlässiger ihre Geschwindigkeit hoch halten konnten. Damals war man auch noch ehrlich genug zu sagen, dass Radwegen wegen der Radfahrer und nicht für die Radfahrer gebaut wurden. Deswegen halte ich es für viel plausibler, dass viele Radfahrer viele Radwege verursachen, als umgekehrt. Die ganzen Beispiele für die für viele Radwege und viele Radfahrer sind auch Beispiele für einen traditionell hohen Radverkehrsanteil.

    Dann kam die angebliche Sicherheit der Radwege ins Spiel, um Separation politisch korrekt aufrecht zu erhalten. Zusammen mit den hohen, zu hohen Geschwindigkeiten, die auf Fahrbahnen dank der Radwege möglich sind, verursachen die Radwege eine unbegründete Angst vor der Fahrbahn.


    Man muss den Teufelskreis (Radwege -> höhere Spitzengeschwindigkeiten auf Fahrbahnen -> größere Angst -> wünsch nach mehr Radwegen) durchbrechen.
    Der Angst vor Fahrbahnen begegnet man auf Aufklärung. Mehr Leute bekommt man durch Werbung auf Rad.

  • Bei einem anderen Thema habe ich mal, um zu zeigen, dass man keine Radwege für einen hohen Radverkehrsanteil und fürs Radfahren auf Hauptstraßen braucht, ein Video aus Jaipur eingestellt

    Indien ist ein denkbar schlechtes Beispiel, da sich viele Menschen einfach kein Auto leisten können. Die entscheiden sich nicht freiwillig für das Rad - zumindest nicht zu einem nennenswerten Anteil.
    Bitte nimm ein Beispiel, in dem ein Land den Autoverkehr bereits zurück gedrängt und dabei auf Mischverkehr gesetzt hat.

    Nicht nur reichlich Radfahrer, auch Chaos. Naja, nicht wirklich, nur für unsere Augen. Aber das ist ein entscheidender Punkt.

    In Indien gibt es 85 mal so viele Verkehrstote pro Auto wie in Deutschland.
    Das ist einfach echtes Chaos mit verdammt vielen Todesopfern. Sagen ja die Inder sogar selber.
    Die Zahlen:
    Indien: 1,25 Mrd Einwohner, 17 Autos pro 1000 Einwohner, 137.000 Verkehrstote pro Jahr.
    Deutschland: 80 Mio Einwohner, 573 Autos pro 1000 Einwohner, 3.459 Verkehrstote 2015

    Man muss den Teufelskreis (Radwege -> höhere Spitzengeschwindigkeiten auf Fahrbahnen -> größere Angst -> wünsch nach mehr Radwegen) durchbrechen.
    Der Angst vor Fahrbahnen begegnet man auf Aufklärung. Mehr Leute bekommt man durch Werbung auf Rad.

    Vergiss es! Mit Werbung bekommst Du die Leute mit etwas Glück in einer 30-Zone vom Bürgersteig runter.
    Aber nie im Leben bekommst Du einen nennenswerten Anteil auf die Fahrbahnen von Hauptstraßen. Man braucht schon ein verdammt dickes Fell, um sich regelmäßig von hinten auf der gleichen Spur von einem 40-Tonner überholen zu lassen.
    Ich kenne die Statistiken zur Sicherheit auch. Aber so richtig glauben mag ich sie inzwischen nicht mehr.
    Eine kleine und nicht repräsentative Stichprobe: Von 16 toten Radfahrern in Berlin wurden 5 von Rechtsabbiegern überfahren und 4 im Mischverkehr beim Überholen getötet.
    Der Anteil der Radfahrer, die im Mischverkehr fahren, ist aber sehr gering. Ich würde unter 10% schätzen. Da ist ein Anteil von fast 50% an den Toten ganz schön viel.
    Mal schauen, wie sich die Sache in den nächsten Jahren entwickelt.


  • In Indien gibt es 85 mal so viele Verkehrstote pro Auto wie in Deutschland.Das ist einfach echtes Chaos mit verdammt vielen Todesopfern. Sagen ja die Inder sogar selber.
    Die Zahlen:
    Indien: 1,25 Mrd Einwohner, 17 Autos pro 1000 Einwohner, 137.000 Verkehrstote pro Jahr.
    Deutschland: 80 Mio Einwohner, 573 Autos pro 1000 Einwohner, 3.459 Verkehrstote 2015

    Bezogen auf die Radfahrer versus Autofahrer Problematik müsste man aber auch im Fall Indien genauer hinschauen, was das bedeutet mit den 137.000 Verkehrstoten im Jahr.

    Ich denke das ist eine ganz normale Entwicklung in einem Land, das an der Schwelle zur Massenmotorisierung steht, dass dort sehr viele Menschen im Autoverkehr sterben. Diese Entwicklung gab es in Deutschland sogar zweimal:
    1. Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre.
    2. Vor 25 Jahren in ähnlicher Form, als nämlich nach der innerdeutschen Grenzöffnung die Unfallzahlen rasant in die Höhe gingen. Und zwar vor allem solche Unfälle, bei der die Autofahrer selbst die Betroffenen waren. Da hatten die Ex-DDR-Bürger wohl was nachzuholen. "Böse" Zungen lästern an dieser Stelle gerne, dass die wiedervereinigungsbedingt hohe Anzahl der verunfallten Autofahrer, die Gesamtzahl der "Opfer von Stacheldraht und Minenfeldern" an der innerdeutschen Grenze bei weitem überstieg. Und zumindest zahlenmäßig trifft das zu!
    Ich könnte mir vorstellen, dass das in Indien nicht anders aussieht. Wer ein Auto ergattert, hat auch dort möglicherweise das Gefühl, "was nachholen zu müssen". Die Unfallopfer sind in ihrer Mehrzahl nicht diejenigen, die gerne als die "schwächeren Verkehrsteilnehmer" bezeichnet werden. Radfahrer und Fußgänger kennen die Gefahren, die vom Autoverkehr ausgehen, vermutlich besser als diejenigen, die die Autos steuern.
    Aber da ist jetzt auch ein bisschen Spekulation im Spiel. Wer das genauer belegen kann ... Ich wär dankbar für jeden Hinweis!
    Ich habe da nur den Verweis auf die Wikipedia-Seite "Verkehrstod"
    Dort steht unter anderem auch geschrieben: "Bereits im Jahre 1929 wurden in Deutschland 5867 Verkehrstote gezählt." Das sind mehr als heute und zwar zu einem Zeitpunkt, als es in Deutschland exorbitant deutlich weniger Autos gab als heute!

    Übrigens: Unbekannterweise, vielen Dank nach Hamburg, vor allem für den coolen Kommentar vom 11.12.16 auf der Kommentarseite der Petition!