Autoland ist abgebrannt

  • Fun fact: Deutschland wird seine Automobilindustrie nicht sterben lassen. Wenn ich mir das alles so durchlese, dann bin ich doch recht überzeugt, dass man notfalls mit gehörigem Kraftaufwand den Verbrennungsmotor so lange künstlich am Leben erhalten wird, bis der letzte Tropfen Öl verbrannt wurde.

  • Wenn ich mir das alles so durchlese, dann bin ich doch recht überzeugt, dass man notfalls mit gehörigem Kraftaufwand den Verbrennungsmotor so lange künstlich am Leben erhalten wird, bis der letzte Tropfen Öl verbrannt wurde.

    Seit dem Dieselgate und den Ankündigungen von Tesla habe ich die leise Hoffnung, dass die deutsche Autoindustrie tatsächlich aufwacht. Ich höre in den letzten Monaten vermehrt von elektrischen Antrieben und automatischem Fahren bei deutschen Herstellern. Und gerade heute hat Seriensieger Audi angekündigt, nicht mehr bei den 24 Stunden von Le Mans anzutreten und sich auf Elektrorennen zu konzentrieren.
    Mal schauen, ob die Hersteller das ernst meinen. Bei einer neuen Technik haben aber immer die Newcomer einen Vorteil, weil sie nicht an dem alten Zeug hängen.

  • Die Art der Antriebstechnik ändert aber nichts an den Problemen des Automobils an sich. Das Problem mit den lokalen Abgasen ist dann weg ja, aber die enorme Energieverschwendung eine 90kg Person von A nach B zu bringen und nur dafür über eine Tonne Maschine zu bewegen bleibt. Ein Rad ist da deutlich effizienter, selbst ein günstiges Modell kommt mit 15kg aus um 90kg Mensch zu bewegen. Nach ein paar Jahren bewegen die 15kg Rad dann nur noch 75kg Mensch und sind damit Gewichts-neutral. :rolleyes:

    Die Verschwendung an Fläche für fahrende und vor allem geparkte PKW bleibt bestehen. Die Gefahr durch die hohe und schnell bewegte Masse bleibt bestehen. Der Einfluss der PKW Lobby bleibt bestehen.

    Die Beziehung Deutschland und PKW Branche ist wie eine Beziehung mit einem Partner der einen schlecht behandelt. Man muss sich möglichst schnell trennen auch wenn es einem danach kurzfristig schlecht geht. Langfristig ist dies die einzige Möglichkeit. Aber leider wird genau dies hier nie passieren. ;( Wir werden warten müssen bis es wirklich nicht mehr geht, vorher passiert hier nichts.

    Doomsday: It's nature's revenge for what we've done (Chris Pohl)

  • Ja nu, ist doch naheliegend. War es vorgestern als ich las, daß ein Durchbruch bei der Akkutechnologie zu massivsten Problemen am Investmentmarkt führen könnte, weil weltweit über ne Billiarde Geldeinheiten von Rentenkassen und Artverwandten in die alten automobilen Techniken in Form von Wertpapieren investiert worden ist?

    Kommt auch nicht von ungefähr, daß im Hintergrund seit ein paar Jahren an der Priovatisierung der schlandischen Autobahnstruktur gebastelt wird, zugunsten der großen Versicherer (Allianz und Co), da es nicht mehr lange dauert, bis jene kollabieren würden, wenn man ihnen nicht fix neue Einnahmequellen eröffnet.

    Unser gesamtes Weltwirtschafts- bzw. Kapitalsystem ist auch Selbstvernichtung ausgerichtet. Wo soll also der Antrieb für einen echten und v.a. nachhaltigen Wandel herkommen?

  • Die Art der Antriebstechnik ändert aber nichts an den Problemen des Automobils an sich. Das Problem mit den lokalen Abgasen ist dann weg ja,

    Damit ist zumindest schonmal ein Problem gelöst.

    aber die enorme Energieverschwendung eine 90kg Person von A nach B zu bringen und nur dafür über eine Tonne Maschine zu bewegen bleibt.

    Wenn (!) die Klimaziele wirklich erreicht werden und der Strom praktisch komplett aus erneuerbaren Energien kommt, ist das egal.

    Die Verschwendung an Fläche für fahrende und vor allem geparkte PKW bleibt bestehen. Die Gefahr durch die hohe und schnell bewegte Masse bleibt bestehen.

    Fläche: bleibt, wird durch selbstfahrende Autos aber besser. Habe gerade einen Artikel dazu gelesen: Heute steht ein Auto zu 97% herum. Mit selbstfahrenden Taxisystemen könnte ein Auto zu 25%, vielleicht sogar bis zu 50% im Einsatz sein.
    Schon bei ersterem Wert bräuchte man nur noch jedes achte Auto, bei letzterem nur noch jedes 13. (bei konstanter Gesamtfahrleistung).
    Gefahr: Wenn die Dinger erstmal selber fahren, wird es praktisch nur noch "Selbst-schuld"-Tote geben. Ist immer noch nicht ideal, aber schonmal eine ganze Größenordnung besser als heute.

  • Der Wandel im Energiesektor kann und darf nicht zur Entindustrialisierung führen. Es wird weiter einen Bedarf an MIV geben. Nicht jeder will oder kann mit dem Rad fahren für die täglichen und gelegentlichen Aufgaben des Lebens. Wer es sich leisten kann oder will, muss auch weiterhin ein Fahrzeug kaufen können, das seinen Ansprüchen genügt. Wenn das in naher Zukunft zunehmend E-Cars sind, ist das eine erfreuliche Verbesserung.
    Mit der Zunahme der EE ergibt das nicht nur eine Verlagerung der Emissionen, sondern auch Zunehmend deren Vermeidung. Wenn intelligente Laderegelungen dann die Fahrzeuge laden, wenn genug unverbrauchter Windstrom und Solarstrom zur Verfügung steht, wird sich das prima ergänzen. Windstrom vor allem nachts, wenn die Fahrzeugflotte zum Großteil geparkt irgendwo steht und viele Betriebe geschlossen und Hausbewohner im Bett sind. Und Solarstrom am späten Nachmittag, wenn die Fahrzeuge ebenfalls geparkt sind und viele Betriebe geschlossen haben.

    Man sollte immer im Blick behalten, das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten. Wir können nicht alle nur noch Radfahren und uns gegenseitig die Haare schneiden. Das ist kein funktionierendes Wirtschaftsmodell.

    bye
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  • Man sollte einen der wesentlichen Gründe für den Erfolg des Privat-PKW im Auge behalten, denn genau von dort werden die wesentlichen Angriffe gegen explosionsgetriebene Fahrzeuge erfolgen - die Sucht. Ein Elektrofahrzeug zu fahren macht einfach Spaß, viel mehr Spaß. Ich halte das für einen Hauptgrund, warum in Berlin mehr und mehr dieser kleinen Dinger von Renault (die hier) und auch Elektromopeds zu sehen sind.

    Gewicht sparen die natürlich auch ein. Die meisten sind im PKW bekanntlich allein und innerorts bzw. in Speckgürteln unterwegs. Mit einem Zweisitzer mit Zuladungsmöglichkeit kann man wenigstens 95% aller Fahrten mit PKW erledigen.

    Man spart Gewicht, Rohstoffe sowie Energie bei deren Gewinnung und Verwendung und nochmals beim Antrieb. Strom als Energieform kann im (Groß)kraftwerk wesentlich effizienter und generell umweltschonender erzeugt und im Fahrzeug verwendet werden, weshalb die Energie- und Umweltbilanz im Vergleich herausragend ist. Des weiteren spart man häufig Platz, zwar weniger, als ich mir wünschen würde, aber immerhin. Und schließlich, mir besonders wichtig: Die Lärmemissionen sinken innerorts drastisch, so sehr, daß man Vorschriften erfindet, Elektrofahrzeuge künstlich wieder zur Lärmquelle zu machen.

    Bevor ich mißverstanden werde: Ich halte Privat-PKW in Großstädten oder überhaupt in Städten für ein Fehlkonzept. Aber einen Austausch des gesamten PKW-Bestandes gegen E-Fahrzeuge würde ich trotzdem begrüßen. Sehr!

    Also Autofahrer: Umsteigen! Die Dinger machen viel mehr Spaß als Ihre alten Stinker!

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    Peter Viehrig

    "Glaube ist die Überzeugung, dass etwas wahr ist, weil die Belege zeigen, dass es falsch ist."
    (Andreas Müller)

  • In der Tat. Mein Hybrid kann zwar nur kurze Strecken rein elektrisch. Aber das nutze ich z.B. dazu aus, lärmfrei aus dem Wohngebiet rauszufahren. Das wurde von einigen Anwohnern mir gegenüber schon lobend erwähnt.

    bye
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  • Man sollte einen der wesentlichen Gründe für den Erfolg des Privat-PKW im Auge behalten, denn genau von dort werden die wesentlichen Angriffe gegen explosionsgetriebene Fahrzeuge erfolgen - die Sucht.

    Ich würde noch einen zweiten, nicht weniger bedeutsamen Grund anführen: (vermeintliches) Prestige!
    Rund 80 Prozent aller Pkw sind finanziert bzw. geleast. Nur eine Minderheit der Deutschen kann es sich leisten, einen Pkw von, sagen wir Golf-Größe aufwärts, leisten, ohne Finanzierung zu kaufen. Siehe z.B. hier oder hier.

    Ein Autokredit wird von vielen schon gar nicht mehr als Kredit angesehen, sondern als "zwangsweise" vorhandene Kosten, wie z.B. die Wohnungsmiete.

    Ich kenne und kannte einige Menschen, die (etwas zugespitzt) zu Hause auf Apfelsinenkisten sitzen aber eine hochmotorisierte Schüssel vor der Tür stehen haben. Nachdem ich mich vor längerer Zeit etwas über einen Pförtner meines Arbeitsgebers wunderte, der bei einem damaligen Lohn von ca. 10,- DM pro Stunde einen Mittelklasse-Mercedes fuhr, sagte ein Kollege zu mir: "Versetze dich mal ihn hinein: Hier ist er nur der Pförtner aber sobald er vom Hof fährt, sieht das niemand mehr, da ist er Mercedesfahrer!"

    Das ist sicher einiges dran...

    "Terrorismus ist der Krieg der Armen und der Krieg ist der Terrorismus der Reichen"
    Peter Ustinov

  • Sicher, das Auto ist immer noch ein Statussymbol.
    Aber in der jüngeren Generation ändert sich das angeblich. Zumindest bei jungen Städtern ist es nicht mehr selbstverständlich, so früh wie möglich den Führerschein zu machen. Wo man es nicht braucht, wird auch kein Auto angeschafft.
    Und das Handy hat dem Auto den Rang als Statussymbol abgelaufen.

    bye
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  • Off-Topic: Es wäre allerdings mal schön, wenn man sich auf Statussymbole einigen könnte, die nicht dazu führen dass Andere Menschen sterben.

    Beim Auto ist es noch recht leicht zu sehen, für das Statussymbol großes Auto der einen sterben Andere bei Unfällen. Diese könnten oft mit kleineren, leichteren und vor allem übersichtlichen PKW glimpflicher ausgehen.

    Beim Handy ist es ähnlich, man erkennt es nur nicht so leicht. Hier sind es Kinder in der dritten Welt, die ihr Leben in Minen lassen, damit wir günstig an Rohstoffe kommen um Smartphones zu bauen. Daran denkt nur niemand, wenn nach einem Jahr ein Gerät, was locker noch 5 Jahre lang gut arbeiten würde weg geworfen wird, nur damit man das neuste Modell hat. Die neuen Funktionen bzw die bessere Leistung dieser Geräte werden dabei eben so wenig benötigt wie ein Geländeauto bzw. hunderte PS Motorleistung in der Stadt.

    Doomsday: It's nature's revenge for what we've done (Chris Pohl)

  • Effizient wären Pendlerautos. Einsitzige Kleinfahrzeuge mit Elektromotor.
    Also quasi der Kabinenroller Trabi 4.0. (Vorsicht: Sozialismusgefahr)
    Man kann den Gedanken noch weiterspinnen: ab 2040 dürfen nur noch diese Pendlerautos im Stadtbereich fahren.
    Alle sind miteinander vernetzt, es gibt keine Abstände mehr. Beschleunigen und Bremsen geschieht gleichmässig.
    Dann kommt irgend wann mal jemand darauf, dass es so eine Verkehrsart ja eigentlich schon mal gab.
    Nannte sich Straßenbahn.

  • Carsharing hilft bei der Verbreitung kleiner Autos. Denn beim Kauf muss das Auto auch für den Familienurlaub reichen. Beim Carsharing nur für die Fahrt.
    Einsitzer mit schmaler eigener Spur wird es in absehbarer Zukunft wohl eher nicht geben.

  • Dann kommt irgend wann mal jemand darauf, dass es so eine Verkehrsart ja eigentlich schon mal gab.
    Nannte sich Straßenbahn.

    Straßenbahn taugt aber nichts. Die nächste Straßenbahnlinie die es hier mal gab ist der Lokstedter Steindamm. Fußweg ca. 1 km. Brauch ich knapp 10 Minuten für. Dann muss ich noch auf die Straßenbahn warten, dauert auch nochmal 3 Minuten. Wenn ich mich auf's Fahrrad setze, bin ich in 13 Minuten schon über 4 Kilometer weit in Richtung Ziel gekommen, während die Straßenbahn gerade erst losfährt. Angenommen ich arbeite in der Hafencity. Entfernung Fahrrad 7km, in 20-25 Minuten gut zu schaffen.
    Die Straßenbahn braucht nochmal gut 20 Minuten zur Zielhaltestelle, danach nochmal 5 Minuten Fußweg. Macht insgesamt 35-40 Minuten Arbeitsweg.

    Individualverkehr ist im Nahbereich (fast) immer viel schneller als ÖPNV. Wenn ich nicht gerade nach Bergedorf oder Harburg will, fahre ich Fahrrad.
    Wenn jemand keine Lust auf Radfahren oder ÖPNV hat und sich lieber in einen kleinen Elektrokabinenroller setzt, kann ich das bestens nachvollziehen.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Und warum ist der Individualverkehr schneller als der ÖPNV?
    Weil er durch die schiere Masse den ÖPNV ausbremst.

    Wenn ich von Schnelsen nach St. Pauli möchte ist jedes Mal der Bus die Bremse. Stockt hier, baustellt da, falschparkt, etc.
    Die U-Bahn ist dann wiederum unschlagbar. Ich fahre echt gerne damit. Nach dem Rad ist es für mich das Verkehrsmittel, dass mir am meisten Schnelligkeit und Zuverlässigkeit suggeriert.

  • Den Trabi habe ich in dem Zusammenhang gewählt, um auf ein Standardfahrzeug ohne Schnickschnack hinzuweisen.
    Deshalb auch die Warnung vor der Sozialismusgefahr, solllte irgendwann die Überlegung angestellt werden nur noch
    Fahrzeuge bestimmter Bauarten für bestimmte Bereiche zuzulassen ;)

  • Und warum ist der Individualverkehr schneller als der ÖPNV?
    Weil er durch die schiere Masse den ÖPNV ausbremst.

    Nein. ÖPNV ist besonders deshalb langsam, weil ich erst dorthin laufen muss, ich warten muss bis man mich mitnimmt, auf der Strecke weitere Leute aus/einsteigen wollen, ich evt. umsteigen muss und die letzten Meter zum Ziel wieder laufen muss.
    Wenn sich der ÖPNV dann noch dieselbe Verkehrsfläche mit anderen Verkehrsteilnehmern teilen muss, wird's natürlich noch viel schlimmer.
    Außerdem: ÖPNV ist abartig teuer. Lohnt sich auch nur, wenn viele Menschen gleichzeitig dieselbe Strecke fahren wollen. Also innerhalb von großen Städten oder als Verbindung zwischen diesen.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Dann kommen wir in Richtung Grundsatzdiskussion.
    Bildung, medizinische Versorgung, ÖPNV sind für mich die klassischen Volksgüter.
    Die müssen nicht direkt profitabel sein, dafür haben wir die Sozialgemeinschaft.

    ÖPNV kann funktionieren, genau so wie ein hoher Radverkehrsanteil. Das muss man allerdings gezielt erarbeiten und durchsetzen.
    Und klar ist auch, dass er am besten in dicht besiedelten Räumen funktioniert. Südlich der Elbe hat man schon komplett andere Voraussetzungen als in Eimsbüttel.