Fahrradhauptstadt Münster hat Todes-Rätsel endlich gelöst!

  • Jahrelang haben sich Radfahraktivisten, Polizei und Verkehrsplaner die Köpfe heissgeredet, woran es nun liegt, dass allwöchentlich geradeaus Radfahrende auf separatem Radweg an LSA unter den rechtsabbiegenden LKW geraten, der natürlich unabänderlicherweise zur gleichen Zeit Grün kriegt wie die abbiegenden Radfahrer.

    Einige ewig nörgelnde Radlobbyisten hatten ja schon wild gemutmaßt, dass ein Zusammenhang zu den benutzungspflichigen Radwegen und zur LSA-Schaltung bestünde (kein konfliktfreies Grün wegen Priorität der MIV-Kapazität).
    Wenn dann noch der LKW-Fahrer einen schlechten Tag haben würde, ...
    Nein. Weit gefehlt!

    Das Ordnungsamt Münster (bzw. die Ordnungspartnerschaft 'sicher durch Münster') hat nun endlich die richtige Lösung gefunden und präsentierte vorgestern dann auch stolz einen passenden Film, der die brillante Analyse plastisch auf den Punkt bringt.

    Handlungsleitend war wohl eine recht große Empörung auch in der 'Bürgerschaft', als nacheinander mal wieder mehrere Menschen in der Fahrradhauptstadt durch besagten Unfalltyp ums Leben kamen.
    Ein 88 jähriger Rentner und eine 27 jährige Studentin waren die letzten Opfer, eine 12-jährige hat zum Glück überlebt, obwohl sie 30 Meter vom LKW mitgeschleift worden war. Alles auf derselben Strasse. Alles innerhalb weniger Monate.
    Verkehrsplaner und Ornungsamtsleiter wurden verstärkt kritisiert.
    An eben dieser Strasse (Wolbeckerstraße in Münster) wurde nun der unfallpräventive Aufklärungsstreifen gedreht, der endlich Licht ins Dunkel bringt.
    Die Lösung ist ebenso einfach wie verblüffend.
    getötete - je nach Standpunkt des Betrachters entweder

    - attraktive radfahrende Frauen
    oder aber
    - liebestolle radfahrende Frauen-hinterher-Pfeifer

    wer hätte das gedacht?


    Und woher weiss der Münsteraner Ordnungsamtsleiter bzw.der CDU-Ortsunion-Vorsitzende Martin Schulze-Werner dass der getötete 88-jährige Rentner einer jungen Frau hinterhergepfiffen hat?
    Tat er das überhaupt?
    Was ist mit der getöteten 27jährigen Studentin, die ebenso wie der Senior korrekt auf dem benutzungspflichtigen Radweg unterwegs war und bei Grün gefahren ist.
    Starrte die wirklich einem 'knackigen Studenten' hinterher, statt wie jeder verständige Verkehrsunfallpräventionsfilmemacher bei Grün umgehend eine souveräne Vollbremsung zu machen?
    Was haben sich der Ordnungsamtsleiter und seine Mittäter bzw. Mit-Filmemacher wohl gedacht, wie das bei den Angehörigen der Opfer ankommt?
    Und ist es wirklich aus verkehrsunfallpräventiven Gründen notwendig, dass Frauen chauvinistisch hinterhergepfiffen wird, dann noch lüstern die Lippen geleckt werden bevor die Kamera erstmal ausführlich den Po der Darstellerin in Szene setzt?

    Ewige Kritiker können es mal wieder nicht lassen zu meckern.
    Der Spot sei chauvinistisch gefärbt, und vor allem würde eine pietätlose Täter / Opfer Umkehr in Szene gesetzt, die dann ca. 500.000 Kinobesuchern als Vorfilm präsentiert werden würde.

    Ach so:
    hier ist das Meisterwerk:

    Externer Inhalt www.youtube.com
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    oder auch hier:

    Ein kleines Zitat des Herrn Schulze-Werner zum Film?
    „Trotz inzwischen sieben Spiegeln am Führerhaus hat der Lastwagenfahrer manchmal keine Chance, den Radler rechts neben sich zu erkennen. Und der sollte dann lieber auf seine Vorfahrt verzichten. Kräftemessen macht keinen Sinn“, so Ordnungsamtschef Martin Schulze-Werner.

    Ja, das hätte der 88-jährige, die Studentin und die 12-jährige mal vorher bedenken sollen statt dem Irrglauben zu erliegen sie könnten das Kräftemessen gewinnen - obwohl ... lag das nicht gerade noch daran, dass sie abgelenkt waren durch ihr lüsternes Hinterherstarren?

    Egal, Hauptsache die bisherigen und künftigen toten Radfahrer sind selber Schuld, und der Ordnungsamtsleiter, der sich juristisch mit Händen und Füssen wehrt an der Wolbeckerstraße wenigstens die Benutzungspflicht aufzuheben ist weiterhin - zumindest in seiner CDU-Ortsgruppe - vollständig unschuldig.

  • Ich hab mal per Kontaktformular folgendes geschrieben:

    "
    Ihr Spott "Liebe macht blind...." ist verdecktes Victim-Blaiming vom Feinsten.
    Nicht der LKW-Fahrer ist schuld am beinahe-Unfall, sondern der unaufmerksame Radler, der annimmt, bei Radler-Grün fahren zu dürfen.
    Der 88-jährige Senior und die 27-jährige Studentin waren sicher auch amourös abgelenkt, als sie dieses Jahr in Münster unter dem Laster getötet wurden.
    Die Führung des Radverkehrs im toten Winkel und das gleichzeitige Grün für Fahrbahnverkehr und Radler hat damit dagegen gar nix zu tun.
    Münster ist Fahrradhauptstadt trotz der Radverkehrsführungen, nicht wegen.
    PS: gebt das Geld sinnvoller aus, überarbeitet die Ampelregelungen und hebt unnötige und gefährliche Radwegbenutztungspflichten auf."

    Sinnigerweise wurde auf Youtube die Kommentarfunktion deaktiviert. Die wissen, warum.

    bye
    Explosiv smilie_be_131.gif

  • Und so ganz nebenbei ist der Film, wie so viele, falsch geschnitten bzw. die Continuity zwischen mehreren bewegten Objekten stimmt nicht. Krönung: die Radler sind nicht im toten Winkel, sondern haargenau auf der Höhe des Führerhauses, der Fahrer kann sie also durch die Scheibe sehen.

  • Immerhin kassiert dieses infame (nebenbei auch noch sexistische) Anti-Fahrradfahrer Video gerade das eine oder andere "gefällt mir-nicht" auf You Tube.

    "I've noticed that the majority of traffic 'safety' campaigns seem to focus on everything except the bull in the china shop - the automobile." copenhagenize.com

  • Ich habe auch geschrieben:

    Guten Tag, ich bin entsetzt über Ihren Spot, bei dem ein LKW Radfahrer überholt und sofort rechts abbiegt, obwohl diese grün haben. Anstatt darauf hinzuweisen, dass der LKW-Fahrer einen - in der Regel tödlichen - Verstoß begangen hat, beschuldigen Sie das Opfer, nicht auf den Verkehr geachtet zu haben. Dabei hatte er grün und er fuhr auf dem, was Sie in Münster wohl als benutzungspflichtigen Radweg beschildern. Und das nennen Sie »unbedarft«? Heißt das, man darf oder soll in Münster nicht auf Radwegen fahren oder sich nicht mehr nach grünen Ampeln richten, wenn man Radfahrer ist? Ist Ihre Botschaft, dass man den LKW-Fahrern ihren mörderischen Fahrstil durchgehen lassen sollte, weil er gewissermaßen ein Naturgesetz ist? Wo hat eigentlich der LKW-Fahrer hingeschaut? Auf sein Smartphone? Ihr Ordnungsamtschef wird mit der Aussage zitiert: »Trotz inzwischen sieben Spiegeln am Führerhaus hat der Lastwagenfahrer manchmal keine Chance, den Radler rechts neben sich zu erkennen.« Wenn das so ist, dann darf der LKW-Fahrer nicht abbiegen. Sondern er müsste sich einweisen lassen. Punkt.
    Sie als Behörde müssten eigentlich, wenn Ihnen solche Situationen bekannt sind - es kam in Münster meines Wissens an diesen Stellen zu mehreren tödlichen Unfällen -, die Benutzungspflicht aufheben oder noch besser die Radwege zurückbauen, damit Radfahrer auf der Fahrbahn fahren, wo sie stets im Blickfeld der Autofahrer sind.

  • Eigentlich wäre es doch wirklich einfach, ein anständiges Video zu produzieren. So wie folgendes (vorsicht, Linksverkehr):

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    Da stimmt die Botschaft: LKWs sind gefährlich.
    Das wird sowohl Radfahrern als auch Politikern sofort klar.

  • Ist das Satire? Das muss Satire sein. So wie die allermeisten Kommentare sich argumentativ selbst widersprechen. :D

    Nein, ich befürchte das ist keine Satire. Die Vorgehensweise "Ich hab einen Radler gesehen, der sich daneben benommen hat (oder davon gehört, oder in der Zeitung gelesen) - deswegen müssen alle so sein" ist uns ja nicht fremd.

    Also mir nicht. Ich sehe nach dem zweiten Abbiegeunfall ja auch alle Autofahrer als unfähig in den Spiegel zu schauen. Und betrachte jeden sich nähernden Kraftfahrer als potentiellen Huper-und-Radweg-Schreier.

    Ich befürchte diese Grundannahme ist zunächst mal natürlich und irgendwie menschlich. "Wir gegen die", sozusagen. Nur wie etwas daran tun? Ich halte ruhiges und beständiges Argumentieren für die einzig sinnvolle Lösung. Auf die Fehler in der Argumentationskette hinweisen. Ruhig sagen, dass nicht alle Lastwagenfahrer potentielle Mörder sind, sondern dass die Führung des Radweges im toten Winkel das Problem verstärkt und nicht löst.

    Im wirklichen Leben, da draußen auf der Straße, bremsen ja die allermeisten Radler auch, wenn ein Auto/Lastwagen abbiegt. Wir bestehen nicht auf unserem Vorrecht, auch wenn wir könnten, weil wir nicht doof sind. Von daher ist der Grundgedanke des Videos - nämlich auch die schwächeren Verkehrsteilnehmer zu erinnern, dass Zusammenstöße nie gut ausgehen - in gewisser Weise okay. Kinder, neu-Radfahrende etc. wissen möglicherweise gar nicht, dass es einen toten Winkel gibt (okay, das ist weit hergeholt - aber wissen nicht wie groß der sein kann). Das ist im Video von Epaminaidos nur besser dargestellt.

    Dennoch ist die Beschwerde bei den Erstellern wichtig. Damit eben auch denen vor Augen geführt wird, dass hier die Schuld auf den falschen geschoben wird.

  • Gegenvorschlag für einen LeitDummspruch: Dynamit tötet - Die Stadt Münster auch

    Lass das arme Dynamit damit in Ruhe.
    Im zivilen Bereich hat die Erfindung des Dynamit viele Menschenleben gerettet und manche Unternehmen erst ermöglicht.
    Dynamit mit Münster zu vergleichen ist nicht fair für das Dynamit.

    bye
    Explosiv smilie_be_131.gif

  • @Explosiv

    Och, der Vergleich stimmt schon. Die Stadt Münster hat bestimmt auch schon viele Menschenleben gerettet und manche Unternehmen erst ermöglicht. 8) Gerade die Vergleichbarkeit der Ambivalenz ist es ja. Man kann sowohl Dynamit als auch die Stadt Münster benutzen, um Menschen fahrlässig, grob fahrlässig oder auch vorsätzlich um's Leben zu bringen.

    Noch deutlicher, etwa mit Namensnennungen, zu formulieren, wäre am Ende schwierig für den hiesigen Hausherrn, weshalb ich das lasse...

    ebayForumKopfverkl.jpg
    Peter Viehrig

    "Glaube ist die Überzeugung, dass etwas wahr ist, weil die Belege zeigen, dass es falsch ist."
    (Andreas Müller)